NEO RAUCH
DAS FORTWÄHRENDE
Papierarbeiten 1989 ─ 1995



Die Grafikstiftung Neo Rauch zeigt von Juni 2020 bis Mai 2021 ihre 9. Jahresausstellung. Der Fokus der Einzelschau NEO RAUCH DAS FORTWÄHRENDE umfasst frühe Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1989 bis 1995. In einer außerordentlichen Vielfalt hat Neo Rauch in den besagten Jahren das Medium Papier bevorzugt, um so in der Zeichnung, in der Malerei sowie in der Druckgrafik eine eigene Bildsprache zu entwickeln.

Die Ausstellung wird unterstützt von der NORD/LB Kulturstiftung.


Die Grafikstiftung Neo Rauch stellt in loser Folge Einblicke zu Werken in der aktuellen Ausstellung NEO RAUCH DAS FORTWÄHRENDE Papierarbeiten 1989 ─ 1995 vor:

 

Neo Rauch: Bote, 1993, 49,1 x 28 cm (Blatt), 39,7 x 22,2 cm (Motiv), einfarbige Lithografie auf Seidenpapier auf Hahnemühle Bütten, Auflage 125, Foto: Grafikstiftung Neo Rauch, Aschersleben; courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig / Berlin; David Zwirner, New York / London / Hong Kong / Paris; © Neo Rauch, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

 

Bei der Arbeit „BOTE“ handelt es sich um eine frühe einfarbige Tuschelithografie in kleinem Format. Sie entstand 1993 in der Druckwerkstatt der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und wurde für die erste Jahresgabe des Förderkreises der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst in einer Auflage von 125 Blatt auf einer Karl-Krause-Handhebelpresse durch die Grafikerin Rosa Loy gedruckt.

Der Bote, synonymhaft auch der Überbringer, ist im oberen Bildteil schematisch umrissen. Ist er dazu bestimmt, einen Auftrag auszuführen oder begibt er sich mit seinem lanzenähnlichen Werkzeug auf die Suche nach dem eigenen ICH?
Das Ungewisse, das diese Szenerie vermittelt, setzt sich auch bei der Deutung des felsartigen Gegenstandes fort. Das Schwarz dämpft die Gesamtstimmung und nimmt dem Blatt die Dramatik.

Die horizontale Bildeinteilung strukturiert das Hochformat. Der Bildausschnitt in der Mitte suggeriert ein vergrößertes Detail, das Organische rückt in den Fokus des Betrachters. Aufgrund des Ein- und Ausdringen der Lanzen durch diese embryonal anmutende Form entsteht ein Eindruck der Verwundbarkeit.

Der leicht transparente, seidige Druckuntergrund an den Bildrändern verstärkt diesen Umstand für einen Moment. Letztlich kommt der Betrachter aber nicht umhin, seinen Blick in den unteren Teil auf die Typografie der Arbeit zu lenken, um der Bildsprache Worte folgen zu lassen.

 


 

Neo Rauch: Die Welt ist eine Walze, 1991, 74 x 100,5 cm, Öl auf Leinwand, Foto: Uwe Walter, Berlin; courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig / Berlin; David Zwirner, New York / London / Hong Kong / Paris; © Neo Rauch, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

 

Das 1991 entstandene Werk Neo Rauchs „Die Welt ist eine Walze“ lässt in einen stark bewegten Bildraum eintauchen, der abhängig von Perspektiveinnahme und Verweildauer immer wieder neue Elemente an die Oberfläche des Bewusstseins zu bringen vermag. Das Bild gehört zu den wenigen Werken der aktuellen Ausstellung, die auf Leinwand entstanden sind. So trägt die erdfarben/opak dominierte Leinwand pastos aufgetragene Farbflächen, aber auch feine Striche und Details.

Organisches – vielleicht Pflanzen, Samen, Blätter trifft auf Anorganisches – ein kubenhaftes Gestell, ein Kreuz mit Kranz, runde Elemente im linken Bildraum. Neo Rauch selbst bezeichnet die Schaffensphase, in der sich seine Bildsprache vermehrt organischen, körperhaften, auch menschlichen Formen annähert, als semi-abstraktes Arbeiten. Im ungefähren Zentrum des Bildes begegnet uns der Mensch. Leicht links eine Person, sitzend auf dem Walzgestell, in der Hand ein Kompass, ein Pfeil, eine Schaufel? Leicht rechts eine weitere Person, in der Horizontalen eingespannt, die Walze ziehend?

Als Konstanten im Bildraum dienen Himmel und Erde, eine Waldlandschaft angedeutet im Hintergrund. Einzelne Elemente sind verzahnt, überlappt. Manches befindet sich gerade im Übergang oder ist in der Auflösung begriffen – sicher ist – alles befindet sich in unaufhörlicher Bewegung. Wie eine Walze, wie Lebenszyklen und wie eine, unsere Welt. In letzterer fällt Orientierung nicht immer leicht. Der Rückbezug zu der Zeit kurz nach Wende, in der „Die Welt ist eine Walze“ entstand, liegt nahe. Neo Rauch hatte sein Atelier zu dieser Zeit im Petersteinweg in Leipzig, gemeinsam mit zwei Künstlerkollegen.

 


 

Neo Rauch: Zu Dante, 1992, 110 × 86 cm, Öl auf Holzleim auf Papier, Foto: Uwe Walter, Berlin; courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig / Berlin; David Zwirner, New York / London / Hong Kong / Paris; © Neo Rauch, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

 

 

In der Mitte unserer Lebensbahn kam ich zu mir in einem finsteren Wald, denn der gerade Weg war verfehlt.“

Mit diesen Worten beginnt eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur die ‚Göttliche Komödie‘. Der Autor Dante Alighieri (*1265 in Florenz; † 1321 in Ravenna) führt als Ich-Erzähler die Leser durch die Hölle (Inferno), das Fegefeuer (Purgatorio) und das Paradies (Paradiso), wo er fast 900 Persönlichkeiten aus Literatur und Geschichte begegnet.  Alighieri schuf das 14.233 Verse umfassende Werk während seines unfreiwilligen Exils zwischen 1307 und 1320 im Norden der Toskana. Bis heute fesselt die wortmächtige und poetische Dichtung die Literaten und Künstler.

Nach der Öffnung der Grenzen seit 1989 zog es Neo Rauch so wie viele andere Künstler nach Italien. Mit dem Werk ‚Zu Dante‘ (1992) wird in der aktuellen Ausstellung NEO RAUCH DAS FORTWÄHRENDE Papierarbeiten 1989  ̶  1995 Bezug zur Göttlichen Komödie genommen. In der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung in Aschersleben merkte Neo Rauch an, dass ihm insbesondere die Fragestellung interessiert was in den Künsten fortwährt und die Menschen über Jahrhunderte fasziniert.

Die italienische Regierung hat anlässlich des 700. Todestages von Dante Alighieri das Jahr 2021 zum Dante-Jahr ausgerufen. Weltweit wird mit Ausstellungen, Seminaren und Rundwegen an den Florentiner Dichter erinnert.

 


In Kooperation mit dem Studio A, Aschersleben, fand am Freitag, 27. November 2020, ein Rundgang (Livestream) durch die aktuelle Ausstellung NEO RAUCH DAS FORTWÄHRENDE Papierarbeiten 1989 – 1995 statt. Der digitale Rundgang kann hier über Facebook (Link) weiterhin angesehen werden.

 

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Abbildungsnachweise:

Neo Rauch: Die Panzer, 1992, 74,5 × 99,5 cm, Öl  auf Holzleim auf Papier, Foto: Uwe Walter, Berlin; courtesy Galerie EIGEN+ART, Leipzig / Berlin; David Zwirner, New York / London / Hong Kong / Paris; © Neo Rauch, VG Bild-Kunst, Bonn 2020.

 


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